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+++ Die Festzuschüsse der GKV für Zahnersatz stiegen zum 01.10.2020 +++
+++ Lücken der GKV können durch Zahnzusatzversicherungen geschlossen werden +++
+++ Tarife der Anbieter leisten höchst unterschiedlich +++
Die gesetzliche Krankenversicherung kennt einige Leistungseinschränkungen im Vergleich zum privaten Krankenversicherungssystem. Sehr detailliert sind wir darauf in unserem Ratgeber zur Krankenzusatzversicherung eingegangen, den Sie hier herunterladen können.
Auch wenn die existenziellsten Lücken der gesetzlichen Krankenversicherung eher im Ausland sowie bei Arbeitsunfähigkeit liegen, besteht die größte Nachfrage erfahrungsgemäß im Bereich Zahnzusatzversicherung. Aus diesem Grund möchten wir dieses Thema näher beleuchten.
Das leistet die GKV
Zum 01.01.2005 wurde die vertragszahnärztliche Versorgung auf ein Festzuschuss-System umgestellt. Das bedeutet, dass für jeden zahnprothetischen Befund eine Regelversorgung (z. B. Brücke) vorgesehen ist. Die Regelversorgung ist eine einfache Zahnersatzausführung mit preiswerten Material- und Laborkosten.
Die gesetzliche Krankenkasse übernimmt für die Regelversorgung einen festgesetzten Betrag (Festzuschuss). Der Festzuschuss beträgt seit dem 01.10.2020 zunächst 60% der Kosten der Regelversorgung.
Er wird durch regelmäßige Zahnvorsorgeuntersuchungen um 10% erhöht, wenn in den letzten 5 Kalenderjahren vor der Behandlung jährlich Zahnvorsorgeuntersuchungen durchgeführt wurden bzw. um weitere 5%, wenn in den letzten 10 Kalenderjahren vor der Behandlung jährlich Zahnvorsorgeuntersuchungen durchgeführt wurden. Die gesetzliche Krankenversicherung übernimmt damit maximal 75% der Regelversorgung. So verbleibt für die Versicherten schon bei einer einfachen Versorgung eine Eigenbeteiligung von mindestens 25%.
In den meisten Fällen wird der Zahnarzt aber eine höherwertige Versorgungsform anbieten, an deren Kosten sich die gesetzliche Krankenkasse nicht mehr beteiligt. Dies hat dann eine entsprechend höhere Eigenbeteiligung für die Versicherten zur Folge.
Arten der Zahnzusatzversicherungen
Recherchiert man mögliche Tarife für Zahnzusatzversicherungen, erhält man ein extrem breites Spektrum, beginnend mit Tarifen für wenige Euro pro Monat bis hin zu solchen, die 50€ und mehr kosten. Grob lassen sich diese in drei Gruppen einteilen:
Gruppe 1: Erhöhung Festzuschuss
Hierbei handelt es sich um sehr günstige Tarife, welche oftmals auf Wartezeiten und Gesundheitsfragen verzichten. Sie kosten oft weniger als 10€ monatlich und erhöhen die Leistung der GKV im Rahmen der Regelversorgung. Besonders häufig sind Tarife, die den Festzuschuss der gesetzlichen Krankenversicherung verdoppeln.
Gruppe 2: Türöffner zum privaten Niveau
Die zweite Gruppe von Tarifen leistet nicht nur im Rahmen der Regelversorgung, sondern auch auf privatem Niveau. Die Leistung ist dabei meist auf den Höchstsatz der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) beschränkt. Üblich sind Erstattungssätze von 70-90% für höherwertige Behandlungen, im Rahmen der Regelversorgung sind hingegen 90-100% möglich. Tarife dieses Niveaus kosten meist zwischen 15€ und 30€ monatlich.
Gruppe 3: Hochleistungstarife
Die absoluten Top-Tarife leisten auch oberhalb der Gebührenordnung für Zahnärzte, beinhalten darüber hinaus zusätzliche Leistungen wie Kieferorthopädie für Erwachsene, hohe Erstattungen für Zahnreinigungen, Schmerztherapie und zum Teil auch kosmetische Anwendungen für Zahnaufhellung (Bleaching). Solche Tarife kosten meist 35€ aufwärts, wobei viele von ihnen nicht durchgängig kalkuliert sind (siehe Abschnitt „Vorsicht vor Lockangeboten“ weiter unten).
Zahnzusatzversicherungen in Zahlen
Auch wenn 75% Erstattung für Zahnersatz recht hoch erscheinen, beträgt der Eigenanteil von gesetzlich Versicherten in der Praxis deutlich mehr als 25%, da die GKV nur innerhalb der Regelversorgung leistet, viele Zahnärzte aber höherwertige Methoden nutzen. Die nebenstehenden Beispiele zeigen Ihnen, mit welchen Kosten Sie für verschiedene Zahnmaßnahmen rechnen müssen.
Die Eigenanteile beziehen sich dabei auf jeweils einen Zahn. Erhalten Sie also beispielsweise 3 Inlays, müssen Sie mit einem Eigenanteil von knapp 1.700€ rechnen, sofern Sie nicht über eine passende Zahnzusatzversicherung verfügen.
Bitte beachten Sie, dass es sich hier um Berechnungsbeispiele handelt. Je nach Zahnarzt und den Umständen des Einzelfalls können diese auch höher oder niedriger ausfallen.
So läuft die Erstattung bei Zahnzusatzversicherungen
Um eine Erstattung von der Zahnzusatzversicherung zu erhalten, existieren verschiedene Wege. Empfehlenswert ist es, vor dem entsprechenden Zahnarzttermin einen sog. Heil- und Kostenplan einzuholen. Dieser ist eine Art Kostenvoranschlag und listet alle abrechnungsrelevanten Punkte und deren Kosten auf. Diesen können Sie dann bei Ihrer Versicherung einreichen und wissen vorher genau, welche Kosten übernommen werden. Ab einem bestimmten Rechnungsbetrag, der tarifabhängig ist, ist dies sogar Pflicht.
Verzichten Sie auf die Einreichung des Heil- und Kostenplans, reichen Sie die Zahnarztrechnung nach Erhalt bei Ihrer Versicherung ein. In vielen Fällen ist dies heute digital per App des Versicherers möglich. Anschließend prüft der Versicherer die Höhe der Erstattung und wird den Betrag auf Ihr Konto überweisen. Sie begleichen dann im Regelfall die Rechnung beim Zahnarzt.
Bei größeren Beträgen, welche Sie nicht vorschießen können oder möchten, kann häufig mit dem Versicherer im Vorfeld auch eine Direktabrechnung mit dem Zahnarzt vereinbart werden.
Die Grenzen von Zahnzusatzversicherungen
Auch private Zahnzusatzversicherungen können nicht jede denkbare Lücke schließen. Um die Versicherungsbeiträge bezahlbar zu halten, sehen alle Zahnzusatzversicherungen bestimmte Einschränkungen vor, die je nach Tarif unterschiedlich ausgeprägt sein können:
- Ausschluss bereits angeratener Behandlungen: Ist vor Vertragsabschluss bereits bekannt, dass eine Zahnbehandlung notwendig ist, ist diese in aller Regel vom Versicherungsschutz ausgeschlossen.
- Wartezeiten: Die meisten Zahnzusatzversicherungen sehen in den ersten 8 Monaten ab Vertragsabschluss keine Leistung vor. Damit soll vermieden werden, dass Kunden erst dann eine Zahnzusatzversicherung abschließen, wenn eine größere Behandlung bevorsteht
- Zahnstaffel: Auch mit 8 Monaten Wartezeit sind in der Zahnzusatzversicherung noch Zweckabschlüsse möglich. Um dies zu verhindern, begrenzen die Versicherer die maximale Leistung in den ersten Versicherungsjahren auf einen bestimmten Betrag, meist in einer Größenordnung von ca. 1.000€ pro Jahr für 3-5 Jahre.
- Nicht medizinisch induzierte Behandlungen: Private Zahnzusatzversicherungen sind dafür gedacht, medizinisch notwendige Zahnbehandlungen zu bezahlen. Rein kosmetische Behandlungen sind üblicherweise nicht Bestandteil des Versicherungsschutzes.
Dabei gilt: Ausnahmen bestätigen die Regel. Immer mehr Tarife verzichten auf einzelne Einschränkungen und können so in bestimmten Konstellationen attraktiv sein.
Worauf ist bei Zahnzusatzversicherungen noch zu achten?
Viele Vergleiche von Zahnzusatzversicherung sind leider sehr oberflächlich und betrachten oft nur die prozentuale Erstattung der Tarife. Jedoch sind viele Tarifmerkmale für die Qualität einer Zahnzusatzversicherung entscheidend. Nachfolgend möchten wir auf einige davon eingehen:
- Trennung Zahnbehandlung/Zahnersatz: Einige Tarife leisten ausschließlich bei Zahnersatz und nicht bei Zahnbehandlung. Da die gesetzliche Krankenversicherung bei Zahnbehandlung zu 100% leistet, wird dieser Bereich in der privaten Zusatzversicherung oft ausgeklammert. Jedoch sollte nicht vergessen werden, dass die Leistung der GKV nur im Rahmen der Regelversorgung erfolgt. Hochwertige Füllungen werden von ihr nur im Rahmen der Festzuschüsse erstattet, wodurch eine erhebliche Lücke entstehen kann.
- Gebührenordnung: Speziell dann, wenn Sie in einem Ballungsraum leben, kann es vorkommen, dass Ihr Zahnarzt oberhalb der Höchstsätze der Gebührenordnung abrechnen möchte. Die meisten Tarife leisten hier aber nicht, was zu bösen Überraschungen im Leistungsfall führen kann. Daher empfehlen wir stets das Einholen eines Heil- und Kostenplans.
- Inlays: Einlagefüllungen (sog. Inlays) sind Füllungen, die vor der Behandlung in einem zahntechnischen Labor hergestellt werden. Sie sind deswegen nicht eindeutig der Zahnbehandlung oder dem Zahnersatz zuzuordnen und werden deswegen von den Versicherern unterschiedlich behandelt. Idealerweise sollte Ihr Tarif diese als Zahnbehandlung erstatten, wodurch der Erstattungssatz meist höher ausfällt.
- Begrenzung der Implantate: Viele Tarife begrenzen die maximale Zahl an Implantaten je Kiefer, welche von der Versicherung bezahlt werden.
- Kieferorthopädie: Fast alle Tarife leisten bei kieferorthopädischen Maßnahmen nur dann, wenn die versicherte Person jünger als 18 Jahre ist. Bei Erwachsenen leisten nur sehr wenige Versicherer.
- Prophylaxe: Viele Tarife erstattet auch Kosten der Zahnprophylaxe, insbesondere professionelle Zahnreinigungen. Hier sollte jedoch nicht auf die Höchsterstattung geschaut werden, sondern auch auf den Erstattungsrhythmus (z.B. ein- oder zweimal pro Jahr). Tarife, die ausschließlich Prophylaxe bezahlen, lohnen sich in der Regel nicht, da ihr jährlicher Beitrag meist genauso hoch ist, wie die Kosten einer Zahnreinigung.
Gesundheitsprüfung bei Zahnzusatzversicherungen
Die meisten Zahnzusatzversicherungen verlangen bei Vertragsabschluss eine Gesundheitsprüfung. Hierbei wird üblicherweise nach fehlenden oder überkronten Zähnen sowie teilweise nach verschiedenen Zahnerkrankungen gefragt. Die Fragen sind abhängig von Versicherer und Tarif sehr unterschiedlich. Je nach konkreter Konstellation können bestimmte Tarife mehr oder weniger geeignet sein.
Insbesondere leistungsschwache Tarife, vor allem solche mit Verdoppelung des Festzuschusses, verzichten heute komplett auf eine Gesundheitsprüfung.
Vorsicht vor Lockangeboten
Zahnzusatzversicherungen sind klassischer Weise nach Art der Lebensversicherung kalkuliert. Das bedeutet, dass ihr Beitrag über die gesamte Laufzeit konstant bleibt – abgesehen von allgemeinen Beitragsanpassungen aufgrund gestiegener Kosten im Gesundheitswesen.
Seit einigen Jahren drängen aber vermehrt auch einjährig kalkulierte Tarife („nach Art der Schadenversicherung“) auf den Markt, die mit sehr umfangreichen Leistungen bei gleichzeitig auffallend niedrigen Beiträgen werben. Der Nachteil dabei: Diese Tarife sehen automatische Beitragssprünge zu bestimmten Altersstufen vor, meist zu runden Geburtstagen. Diese Sprünge können den ursprünglichen Beitrag vervielfachen, sodass der Beitrag ab einem bestimmten Alter praktisch nicht mehr bezahlbar ist.
Die allgemeinen Beitragsanpassungen kommen zu diesen Beitragssprüngen hinzu. Das hat in der Vergangenheit bei einigen Tarife zu enormen Preiserhöhungen und anschließende Kündigungswellen geführt.
In Einzelfällen können einjährig kalkulierte sinnvoll sein, z.B. wenn perspektivisch ein Wechsel in die private Krankenvollversicherung ansteht. Auf Dauer sind diese Tarife aber meist deutlich teurer als durchgängig kalkulierte. Daher sollten sie mit Vorsicht betrachtet werden.
Spezieller Bedarf bei Kindern
Anders als Erwachsene haben Kinder kaum Lücken durch die gesetzliche Krankenversicherung. Selbst kieferorthopädische Maßnahmen werden zu 100% übernommen, wobei 20% erst nach Abschluss der Behandlung bezahlt werden.
Eine relevante Lücke besteht dennoch: Bei leichten Fehlstellungen (KIG 1+2) leistet die gesetzliche Krankenversicherung grundsätzlich nicht. Hier kann eine Zahnzusatzversicherung helfen, die entstehenden Kosten zu decken. Mehr dazu haben wir in unserem Ratgeber für Eltern beschrieben.
Angebot zur Zahnzusatzversicherung erhalten
Sie haben Interesse an einer Zahnzusatzversicherung oder wünschen eine ausführliche Analyse. Dann freuen wir uns auf Ihre Kontaktaufnahme.
©Bild: Andrea Piacquadio/pexels
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