Warentransportversicherung
Nicht erst der spektakuläre Fall der Ever Given im Suez-Kanal hat gezeigt, dass Waren auf Transporten zahlreichen Gefahren ausgesetzt sind. Gleichzeitig nimmt der Welthandel immer weiter zu, sodass es immer mehr Waren auf Schiffen, in Flugzeugen, Zügen und auf der Straße gibt. Grund genug, sich mit der Warentransportversicherung zu beschäftigen, die häufig auch als Güterversicherung, Warenversicherung oder kurz als Transportversicherung bezeichnet wird.
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Die Sache mit der gesetzlichen Haftung
Die meisten Waren werden durch professionelle Unternehmen transportiert: Spediteure, Frachtführer, Kuriere (sog. KEP-Dienste), Bahnunternehmen und Reedereien. Bei vielen Kunden entsteht dadurch der Eindruck, keinen zusätzlichen Schutz für ihre Waren auf Transporten abschließen zu müssen, verfügen doch die allermeisten Transportunternehmen über eine spezielle Haftpflichtversicherung, die sog. Frachtführerhaftpflicht oder Verkehrshaftungsversicherung.
Allerdings ist das Transportrecht nicht mit dem allgemeinen Schadenersatzrecht vergleichbar. Verursacht das Transportunternehmen einen Schaden an der Ware, haftet es in aller Regel nicht in Höhe des vollen Warenwertes. Vielmehr gilt eine national und international festgelegte Höchsthaftung auf Basis des Gewichts der zu transportierenden Ware, geregelt unter anderem in den ADSp sowie den CMR. Diese wird in der Einheit „Sonderziehungsrechte“ (mit SZR bzw. international mit XDR abgekürzt) ausgedrückt und wie folgt berechnet:
Höchsthaftung = Gewicht in kg x Anzahl Sonderziehungsrechte x Wert eines Sonderziehungsrechts
Der Wert eines Sonderziehungsrechts wird täglich neu wie ein Börsenkurs festgelegt. Er liegt per 12.06.2022 bei 1,30€ und schwankte in den vergangenen 20 Jahren zwischen 1,00€ und 1,50€.
Die Anzahl der Sonderziehungsrechte, für die ein Frachtführer haftet, hängt von der Art des Transportes ab:
- Straßentransporte: 8,33 SZR (entspricht ca. 10€/kg), eine Erhöhung auf 40 SZR (ca. 50€/kg) ist möglich
- Lufttransporte: 19 SZR (entspricht ca. 25€/kg)
- Seetransporte: 2 SZR (entspricht ca. 2,50€ kg)
Dabei existieren viele Abstufungen und Ausnahmen, diese finden Sie in der nachfolgenden Grafik zusammengefasst zum Download:
Bei geringwertigen Waren wie Massen- und Schüttgut (z.B. Sand, Kies) oder Sachen aus Plastik reichen die gesetzlichen Haftungsgrenzen meist aus, um den gesamten Warenwert abzusichern. Anders sieht es aus bei allgemeinem Handelsgut, Medikamenten oder gar Valoren. Deren Gewicht ist meist viel zu gering im Verhältnis zum Warenwert, sodass im Schadenfall zwischen der eigentlichen Schadenhöhe und der Erstattung der Versicherung meist eine erhebliche Differenz besteht. Hierzu ein konkretes Beispiel aus unserem Kundenkreis:
Unser Kunde ist ein Frachtführer, der Arzneimittel zu Apotheken transportierte. Diese wogen 100g, haben jedoch einen Warenwert von 6.800€. Durch eine ausgefallene Kühlung im LKW wurden die Arzneimittel unbrauchbar. Die gesetzliche Haftung lag jedoch bei gerade einmal 1,08€. Die Differenz von 6.978,92€ musste der Warentransportversicherer der Apotheke aufbringen.
Warentransportversicherung vs. Speditionsgüterversicherung
In aller Regel gibt es zwei Möglichkeiten, die Lücke zwischen gesetzlicher Haftung und Warenwert abzusichern: Neben der klassischen Warentransportversicherung durch den Kunden kann auch über den Frachtführer/Spediteur Versicherungsschutz eingekauft werden. Dieser verfügt dann üblicherweise über eine Speditionsgüterversicherung, bei der er den jeweiligen Transport absichern kann.
Beide Optionen haben unterschiedliche Vor- und Nachteile:
- Flexibilität: Die Eindeckung über die Speditionsgüterversicherung kann flexibel für jeden einzelnen Transport vorgenommen werden. Lassen Sie nur selten Waren transportieren, kann sich dies eher lohnen als eine eigene Police.
- Kosten: Eine eigene Warentransportversicherung ist in der Regel günstiger als die Eindeckung über die Speditionsgüterversicherung des Frachtführers. Transportieren Sie häufiger Waren, ist es daher meist die kostengünstigere Variante.
- Eigene Transporte: Anders als die Speditionsgüterversicherung deckt die Warentransportversicherung auch selbst vorgenommene Transporte, d.h. den klassischen Werkverkehr (z.B. vom Lager zum Kunden oder zwischen zwei Standorten).
Welche Variante besser für das jeweilige Unternehmen passt, hängt von zahlreichen Merkmalen ab und sollte im Rahmen einer Beratung bestimmt werden.
Wer braucht eine Warentransportversicherung?
Klassische Kunden für eine Warentransportversicherung sind Unternehmen, die Im- und Export betreiben. Insbesondere dann, wenn Endprodukte gehandelt werden, welche einen höheren Wert als 2,50€ (Übersee) bzw. 10€ je kg (Straße) haben, kann der Vertragsabschluss sinnvoll sein. Da Jahrespolicen bereits für wenige Hundert Euro pro Jahr erhältlich sind, steht sie nicht nur großen und mittelständischen Unternehmen offen. Auch kleinere Unternehmen mit mehr oder weniger regelmäßigen Transporten durch Dritte können eine Warentransportversicherung abschließen.
Werden die Waren hingegen nur durch eigene Fahrzeuge transportiert, genügt in der Regel eine Autoinhaltsversicherung.
Warentransportversicherung für Privatpersonen
Generell sind Warentransportversicherungen für Unternehmen konzipiert. Allerdings können auch Privatkunden Bedarf an einer zusätzlichen Transportabsicherung haben. Am häufigsten passiert dies beim Onlineshopping. Jedoch haben die meisten KEP-Dienste wie DHL, Hermes oder DPD vorgesorgt und bieten eine Deckung oberhalb der gesetzlichen Haftungshöhe an, meist bis 500€ je Paket. Wird darüber hinaus Schutz benötigt, kann dieser meist bequem für wenige Euro zugebucht werden.
Der Abschluss einer eigenständigen Warentransportversicherung kann aber beispielsweise dann sinnvoll sein, wenn ein größerer Transport mit hohem Warenwert vom Privatkunden beauftragt wird. Ein klassisches Beispiel ist die Verschiffung des eigenen Hausrates bei einem Umzug nach Übersee. Bietet der Spediteur hierfür keine höhere Deckung an als gesetzlich vorgeschrieben, ist meist der Abschluss einer Police zum Mindestbeitrag von ca. 100€ möglich.
Gestaltung der Warentransportversicherung
Warentransportversicherungen können sowohl als Jahrespolice für alle Transporte („Generalpolice“) als auch als Einzelpolice für einen konkreten Transport abgeschlossen werden. Welche Variante günstiger für das Unternehmen ist, kann anhand der konkreten Situation entschieden werden.
Der Versicherungsschutz wird dabei üblicherweise als „volle Deckung“ abgeschlossen. Hierbei handelt es sich um eine Allgefahrendeckung mit nur sehr wenigen Ausschlüssen. Alternativ ist auch die „eingeschränkte Deckung“ möglich, die konkret definierte Gefahren vorsieht. Diese sind:
- Transportmittelunfall
- Einsturz von Lagergebäuden
- Brand, Blitzschlag, Explosion
- Erdbeben, Seebeben, vulkanische Ausbrüche und sonstige Naturkatastrophen
- Absturz oder Aufprall eines Luftfahrzeugs
- Überbordwerfen, Überbordspülen oder Überbordgehen durch schweres Wetter
- Aufopferung der Güter
- Totalverlust ganzer Ladungsstücke beim Be-, Um- oder Entladen eines Transportmittels
Festgelegt sind diese Gefahren in den DTV Güter, allgemein sind die Versicherungsbedingungen marktweit recht vereinheitlicht.
Spielraum besteht jedoch bei der teilweisen Streichung von Leistungsausschlüssen, u.a.:
- Krieg und kriegsähnliche Ereignisse
- Streik, Aussperrung, Arbeitsunruhen, Aufruhr
- terroristische oder politische Gewalthandlungen
- Eingriffe von hoher Hand
- Massenvernichtungswaffen, Kernenergie
- Zahlungsunfähigkeit des Reeders oder Charterers
- Verzögerung der Reise
Auch ist es möglich, über den Warenwert hinaus einen imaginären Gewinn mitzuversichern, der durch die Nichtlieferung der Ware dem Empfänger entgeht. Ebenfalls versicherbar sind in gewissem Maße Folgeschäden, die aufgrund der Beschädigung oder Zerstörung der Ware entstehen (sog. Vermögensfolgeschäden).
Die Havarie Grosse
Risiken beim Transport bestehen nicht nur durch die Beschädigung der eigenen Ware. Auch Schäden an fremder Ware können dazu führen, dass Sie einen Teil Ihres Warenwertes verlieren. Dies ist vor allem der Fall bei der großen Havarei oder Havarie Grosse. Hiervon spricht man, wenn ein Teil der Ware auf einem Transportmittel (meist Schiff) geopfert werden muss, um die restliche Ladung zu retten. Der eingangs schon erwähnte Fall der Ever Given ist hierfür ein gutes Beispiel.
Da hier Ware zerstört wird um andere Waren zu retten, haften alle Eigentümer gemeinsam nach dem Anteil Ihrer Ware an der Gesamtfracht für den entstandenen Schaden. Der Kapitän hat dabei ein Zurückbehaltungsrecht für die Ware, bis der Eigentümer seinen Anteil bezahlt hat.
Um sich vor den damit verbundenen Kosten zu schützen, sollte eine Warentransportversicherung eine Deckung für Havarie Grosse vorsehen.
Haben Sie Bedarf an einer Warentransportversicherung und wünschen konkrete Angebote hierzu, zögern Sie nicht Kontakt mit uns aufzunehmen.
©Bild: william william/Unsplash