Was ist eigentlich…?! – Unterversicherungsverzicht

In unserer neuen Serie Was ist eigentlich…?! möchten wir Begriffe erklären, die Sie im Zusammenhang mit Versicherungsthemen immer wieder hören, aber vielleicht nicht im Detail zuordnen können. In der heutigen Ausgabe beschäftigen wir uns mit dem Unterversicherungsverzicht, den viele vor allem von der Hausrat- oder Wohngebäudeversicherung kennen.

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Was bedeutet Unterversicherung

In der Sachversicherung, hierzu gehören z.B. Hausrat- und Gebäudeversicherungen, müssen Sie als Kunde bei Vertragsbeginn meist eine Versicherungssumme festlegen. Diese Versicherungssumme soll dabei in der Regel dem Neuwert der zu versichernden Sachen entsprechen.

Da die Versicherungsgesellschaften diesen Neuwert bei Vertragsabschluss nicht überprüfen kann, glaubt Sie Ihnen diesen zunächst. Im Schadenfall hat sie jedoch das Recht, den tatsächlichen Neuwert der versicherten Sachen mit der Versicherungssumme Ihres Vertrages abzugleichen. Haben Sie die Versicherungssumme nach dieser Prüfung zu niedrig angesetzt, hat die Versicherungsgesellschaft das Recht, ihre Entschädigungsleistung entsprechend zu kürzen. Dies möchten wir an einem Beispiel zeigen:

  • Neuwert der versicherten Sachen: 100.000€
  • Versicherungssumme: 70.000€
  • Schadenhöhe: 30.000€

Es gilt folgende Formel:

Erstattung = Schadenhöhe x Versicherungssumme ./. Neuwert = 30.000€ x 70.000€ ./. 100.000€ = 21.000€

Im konkreten Fall erfolgt also eine Kürzung um 30% bzw. 9.000€

Um solche Kürzungen zu vermeiden, sollte die Versicherungssumme möglichst dem Neuwert der zu versicherten Sachen entsprechen. Allerdings ist es für Sie in den meisten Fällen praktisch unmöglich, den Neuwert exakt zu ermitteln und aktuell zu halten. Ansonsten müssten Sie z.B. in der Hausratversicherung nach jedem Einkauf Ihre Versicherungssumme anpassen. Dies ist natürlich unrealistisch. Daher haben die Versicherer den sog. Unterversicherungsverzicht in ihre Versicherungsbedingungen aufgenommen. Erfüllen Sie dessen Voraussetzungen, verzichtet die Versicherung auf eine Kürzung wegen Unterversicherung, auch wenn die Versicherungssumme nicht dem Neuwert entspricht.

Wie sich dies in den einzelnen Versicherungssparten darstellt, haben wir nachfolgend zusammengefasst:

Unterversicherungsverzicht in der Hausratversicherung

Der Wert eines durchschnittlichen Hausrates in Deutschland beträgt statistisch 650€ je Quadratmeter Wohnfläche. Dies trifft natürlich nicht auf jede Wohnung zu, ist aber nach unserer Erfahrung ein durchaus realistisches Mittel.

Die meisten Hausratversicherer gewähren automatisch Unterversicherungsverzicht, wenn die Versicherungssumme mindestens 650€/m² beträgt. Einige wenige Anbieter weichen davon ab und verlangen z.B. 600€ oder 700€.

Alternativ besteht die Möglichkeit, einen Quadratmeter-Tarif zu wählen. Bei diesem gibt es keine Versicherungssumme, sondern nur eine Höchstentschädigung, die meist im Bereich von 250.000€ bis 1.000.000€ liegt. Für viele sind solche Tarife natürlich sehr attraktiv, da man sich keine Gedanken um die Versicherungssumme machen muss.

Wichtig ist aber in beiden Fällen, dass die Wohnfläche korrekt ermittelt wurde. Weicht diese in der Realität deutlich von der Angabe im Antrag ab, kann der Unterversicherungsverzicht trotzdem entfallen.

Unterversicherungsverzicht in der Wohngebäudeversicherung

Vor allem in der Wohngebäudeversicherung stoßen wir sehr häufig auf unterversicherte Objekte. Speziell bei Eigentümerwechseln sehen wir immer wieder, dass viel zu niedrige Versicherungssummen angesetzt wurden und auch die Flächenangaben in den Policen nicht stimmen. Hierdurch wird häufig versucht, einen Teil des hohen Versicherungsbeitrags zu sparen.

Im Leistungsfall ist dies jedoch fatal. Speziell bei größeren Schäden prüfen die Versicherer sehr häufig den Wert des Gebäudes. Dies ist verhältnismäßig einfach möglich, da hierfür im Wesentlichen nur die Wohnfläche sowie die Anzahl der Geschosse notwendig ist. Schon eine vergleichsweise geringe Kürzung von z.B. 15% bedeutet bei 500.000€ Objektwert eine Kürzung von 75.000€ nach einem Totalschaden.

Aus diesem Grund halten wir den Unterversicherungsverzicht in der privaten Wohngebäudeversicherung für besonders wichtig. Dieser kann entweder durch die Nutzung eines Quadratmeter-Tarifs gewährt werden oder durch eine Summenermittlung nach Wert 1914. Hierbei werden die wichtigsten Objektdaten wie Wohnfläche, Anzahl Geschosse, Ausstattung und Nebengebäude angefragt und eine darüber eine Versicherungssumme ermittelt. Diese Versicherungssumme wird automatisch von Jahr zu Jahr auf Basis der statistischen Steigerung der Baupreise (sog. Baupreisindex) angepasst und damit aktuell gehalten.

Unterversicherung in der Gewerblichen Gebäudeversicherung

Eigentümer gewerblicher Gebäude haben dasselbe Problem wie Wohngebäudebesitzer. Darüber hinaus ist aber besonders problematisch, dass es eine standardisierte und von allen Versicherungsgesellschaften akzeptierte Wertermittlung wie bei privaten Wohnhäusern nicht existiert.

In der Vergangenheit war der Unterversicherungsverzicht daher meist nur möglich, wenn ein formelles Gebäudewertgutachten vorgelegt werden konnte, welches aber sehr teuer ist. Erfreulicherweise gewähren aber immer mehr Versicherer den so wichtigen Unterversicherungsverzicht nach Vorlage einer von uns erstellten Wertermittlung, wenn diese mit einer speziellen Software erzeugt wurde.

Alternativ bieten einige Versicherer den Unterversicherungsverzicht auch bei einer korrekten Angabe des umbauten Raums oder des korrekten Neubauwertes an, sofern diese Werte bekannt sind.

Unterversicherungsverzicht in der Betriebsinhaltsversicherung

Am kompliziertesten ist es, das Thema Unterversicherung in der Betriebsinhaltsversicherung zu erlangen. Da jedes Unternehmen und jede Betriebsart eine unterschiedliche Zusammensetzung von Einrichtung, Waren und Vorräten hat, gibt es keine verlässlichen Werte, auf die sich Kunden und Versicherer stützen können. Auch die Nutzung der Bilanzkennzahlen scheitert regelmäßig, da hierin die abgeschriebenen Werte erfasst sind und nicht die für die Wertermittlung notwendigen Neuwerte.

Aus diesem Grund besitze nahezu keine Betriebsinhaltsversicherung aktuell Unterversicherungsverzicht. Zu den wenigen Ausnahmen gehören Tarife mit pauschaler Höchstentschädigung (z.B. Rhion Kompakt) oder Multiline-Policen auf Umsatzbasis (z.B. HDI Compact). Im Rahmen unserer Mitgliedschaft in der Maklergenossenschaft VEMA e.G. haben wir jedoch Zugriff auf eine wachsende Zahl an Anbietern, die auch in der Betriebsinhaltsversicherung Unterversicherungsverzicht gewähren. Je nach Versicherer erfolgt dies entweder:

  • Generell
  • Pauschal bis zu einer bestimmten Schadenhöhe (z.B. 100.000€)
  • Bei Wertermittlung nach einer speziellen Formel auf Basis von Bilanzkennzahlen

Unterversicherung in der Betriebsunterbrechungsversicherung

In der Betriebsunterbrechungsversicherung ist es hingegen recht leicht, eine Unterversicherung zu vermeiden. Hierzu ist es lediglich notwendig, den korrekten Rohertrag im Rahmen der jährlichen Abfrage zu melden. Dabei ist aber Vorsicht geboten: Nicht alle Versicherer nehmen diese Abfrage transparent vor, sondern zum Teil nur im Kleingedruckten im Rahmen der jährlichen Beitragsrechnung.

Zudem sollte nach Möglichkeit die Klausel Nachhaftung eingeschlossen werden, um Umsatzsteigerungen automatisch bis zur nächsten Hauptfälligkeit mitversichern zu können.

Bei der sog. Kleinbetriebsunterbrechung (KBU) besteht in der Regel automatisch Unterversicherungsverzicht. Jedoch ist die Entschädigung dann meist auf die Versicherungssumme der Inhaltsversicherung begrenzt.

Unterversicherung in anderen Versicherungszweigen

Über die genannten Bereiche hinaus kann das Problem der Unterversicherung auch in anderen Versicherungssparten eine Rolle spielen, etwa bei der Photovoltaik- oder Maschinenversicherung. Hier ist es aber deutlich leichter, den Unterversicherungsverzicht zu gewähren, da meist nur einer oder wenige Gegenstände versichert werden, von denen meist Anschaffungsrechnungen vorliegen.

Unterversicherungsverzicht bei Kleinschäden

Bei geringen Schadenhöhen führen die Versicherungsgesellschaften meist keine oder nur eine sehr einfache Prüfung der Unterversicherung (z.B. durch Abfrage der Wohnfläche) durch, da hierfür ein Gutachter am Versicherungsort notwendig wäre. Insofern spielt das Thema Unterversicherung meist nur bei mittleren oder größeren Schäden in der Praxis eine relevante Rolle. Aus diesem Grund bieten viele Versicherer bei Kleinschäden, die eine bestimmte Summe (meist wenige Tausend Euro) nicht überschreiten, automatisch den Unterversicherungsverzicht im Rahmen der Versicherungsbedingungen, auch wenn dieser für den Vertrag selbst nicht gilt.

Wo spielt der Unterversicherungsverzicht keine Rolle?

Nicht relevant ist der Unterversicherungsverzicht bei sogenannten Sublimits. Das sind separate Summengrenzen für bestimmte Leistungserweiterungen. Besitzen Sie z.B. Fahrräder im Wert von 5.000€, haben aber nur 1.000€ im Baustein Fahrraddiebstahl versichert, erfolgt keine prozentuale Kürzung der Entschädigung im Leistungsfall. Aber selbstverständlich bleibt die Leistung auf 1.000€ begrenzt.

Muss ich Unterversicherungsverzicht vereinbaren?

In den meisten Fällen ist es empfehlenswert, den Unterversicherungsverzicht zu vereinbaren. Jedoch gibt es auch gute Gründe, in Einzelfällen davon abzuweichen. Besitzen Sie z.B. ein Haus auf dem Land mit riesiger Wohnfläche aber spartanischer Ausstattung, ist es ggf. nicht wirtschaftlich, eine Versicherungssumme von 650€/m² anzusetzen. Gleiches kann auch bei Studentenwohnungen der Fall sein.

Sind Sie sich sicher, dass der Wert der versicherten Sachen eine bestimmte Höhe nicht übersteigt, spricht grundsätzlich nichts dagegen, diesen Wert auch bei der Versicherung anzusetzen. Allerdings bringt der Unterversicherungsverzicht einen gewissen Komfort mit sich, da eine Anpassung bei Neuanschaffungen meist nicht erforderlich ist.

Sie haben Fragen zu diesem Thema oder wünschen eine Beratung. Kommen Sie gerne auf uns zu!

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